Das Außen wird immer schneller und unser Inneres immer aufgeregter und gestresster. Kein Wunder – die To Do Liste wird immer größer und die Zeit für Schönes immer weniger. Dabei ist es auf Dauer nicht möglich immer nur Power zu geben ohne dabei die andere Seite zu beachten. Licht gibt es nicht ohne Schatten, Yin nicht ohne Yang, Power nicht ohne Pausen.
Doch was sagt die TCM zu einem stressigen Alltag und Überarbeitung und wie wirkt sich das auf unseren gesamten Körper aus?
Arbeiten wir viel wird unser Qi, unsere Lebensenergie verbraucht. Das ist erstmal normal, da wir für alles was wir machen logischerweise auch Energie benötigen. Aus Sicht der TCM gibt es das sogenannte vorgeburtliche Qi, das Ursprungs-Qi. Dieses bekommen wir von unseren Eltern quasi als Erbgut bei der Empfängnis mit und wird im laufe des Lebens verbraucht. Dieses Ursprungs-Qi sollten wir wie einen Schatz hüten, denn es ist wie gesagt unsere Lebensenergie! Es gibt zum Glück noch das nachgeburtliche Qi, das wir durch bewusste Atmung und Nahrung aufnehmen.
Das heißt, wenn wir uns gut ernähren und gezielt Atemübungen oder Yoga machen, verbraucht unser Körper bei Bedarf zuerst das nachgeburtliche Qi und unser Schatz bleibt uns länger erhalten. Je mehr wir jedoch arbeiten und über unsere Grenzen gehen, desto mehr Qi brauchen wir.
Ich unterscheide hier zwischen kurzzeitiger Überarbeitung. Damit meine ich beispielsweise eine über kürzere Zeit sehr intensive und Kräfte zehrende Phase, wie das zum Beispiel in Prüfungszeiten der Fall ist. Kurzzeitig wäre auch ein stressiges Projekt bei der Arbeit, das sich über mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate zieht. Manchmal stressen wir uns sogar für einige Zeit in der Freizeit und planen uns zu viele eigentlich schöne Dinge ein, die uns dann den bekannten Freizeitstress bringen. Dem Körper ist es auch erstmal egal, ob es positiver oder negativer Stress ist.
Dann gibt es die langzeitige Überarbeitung, die sich über Jahre zieht. Du hast beispielsweise schon seit Jahren einen super stressigen Job und den Begriff Work-Life-Balance hast du vielleicht mal gehört, kannst aber weder sagen, dass du das regelmäßig oder überhaupt hinbekommst, noch kannst du dich daran erinnern, wie sich die Balance zwischen Arbeit und Leben überhaupt mal angefühlt hat. Sprich: Es ist schon so lange her, dass du ein ausgeglichenes Leben mit Ruhepausen und Zeit für Dich geführt hast. Es kann auch sein, dass du dich einfach seit Jahren ‘überarbeitet’ fühlst, obwohl du keine Überstunden machst dich aber permanent gestresst fühlst, aus welchen Gründen auch immer. Stress raubt uns einfach wahnsinnig viel Energie.
Energie ist Qi und mit (ständiger) Überarbeitung fühlen wir uns über kurz oder lang einfach energielos. Das heißt wir entziehen unserem Körper mehr Qi als wir haben oder aufnehmen können. Bei der kurzzeitigen Überarbeitung ist es so, dass wir unser Qi auch nach relativ kurzer Zeit wieder aufbauen können. Haben wir das stressige Projekt abgeschlossen, können wir im Anschluss wieder durchatmen, einige Tage richtig guten Schlaf nachholen und uns auch wieder gut ernähren. Das bleibt während einer stressigen Phase ja meistens auf der Strecke. Wir haben keine Zeit zu kochen, Schlaf wird dann sowieso überbewertet und mal ‘ne Minute den Kopf ausschalten scheint auch nicht zu klappen. Wenn wir es jedoch nach der kurzzeitigen Anstrengung schaffen unser Qi-Konto wieder aufzufüllen, bekommen wir nochmal die Kurve und unser Körper muss nicht an die vorgeburtlichen Qi-Reserven gehen.
kurzzeitige Überarbeitung ❱ Qi ↓ ❱ Ruhe, Schlaf & gute Ernährung über einige Tage ❱ Qi ↑
Bei der langzeitigen Überarbeitung sieht es etwas anders aus. Dort schaffen wir den Absprung in die Phase der Ruhe oft über mehrere Jahre nicht. Wenn wir permanentem Stress ausgesetzt sind, reicht es auch nicht zweimal im Jahr im Urlaub abzuschalten. Meistens werden wir dann sogar passend zum Urlaub krank, weil kurzzeitig der ganze Stress abfällt oder wir können die Zeit auch gar nicht richtig genießen.
Es ist schwierig auf Kommando von 180 auf 0 zu schalten, ohne negative Nebeneffekte zu spüren. Der Körper weiß ja schließlich gar nicht mehr wie er auf Stillstand reagieren soll, bzw. dass er nicht reagieren soll, sondern einfach mal Sein darf. Auch einmal die Woche Sport zu machen und dabei vermeintlich abzuschalten wird bei ständiger Überarbeitung nicht ausreichen die Qi-Speicher wieder aufzufüllen. Wenn dann auch noch die Nahrung Qi-los ist und wir über den Tag verteilt einfach keine angemessenen Ruhepausen bekommen, erholt sich unser Qi nicht und wir zapfen unsere Yin-Substanzen (Jinye = Körperflüssigkeiten, Xue = Blut, Jing = Essenz, Jing = vorgeburtliches + nachgeburtliches Qi) an.
Um unser Energielevel wieder auf ein gesundes Niveau zu bringen, benötigt es Zeit. Wie viel genau ist von Person zu Person natürlich ganz unterschiedlich. Zum einen kommt es auf die Zeit an, wie lange wir diesen Qi-Raubbau betrieben haben, zum anderen auf die Ruhepausen, die wir jetzt in unseren Alltag integrieren. Nach jahrelanger Überarbeitung muss unser Körper erstmal wieder lernen was Ruhe ist, vielleicht müssen wir unsere Ernährung anpassen und langsam ein Körper- & Geist-freundliches Leben erlernen. Das braucht Zeit und wir dürfen uns auch freundlich daran erinnern, dass es okay ist hier langsam, Schritt für Schritt in die energiespendende Richtung zu gehen. Denn was wir dann nicht benötigen ist: Zeitdruck, Schuldgefühle, Ungeduld und allen voran Stress.
Im Gegenteil dürfen wir dann lernen wieder liebevoll mit unserem Körper und unseren Emotionen umzugehen, im Zeit und Ruhe gönnen und das regelmäßig und bewusst.
langzeitige Überarbeitung ❱ Qi ↓ ❱ keine/wenig Ruhepausen, schlechte Ernährung ❱ Yin Substanzen werden angezapft / wertvollste Lebensenergie wird verbraucht ❱ regelmäßige Ruhepausen über einen langen Zeitraum ❱ Qi ↑
Hören wir bei langzeitiger Überarbeitung jahrelang nicht auf unseren Körper kann sich ein Yin Mangel entwickeln, vor allem ein Nieren-Yin-Mangel, da unsere vorgeburtliche Essenz [Jing] in den Nieren sitzt. Die Niere ist die Wurzel des Qi. Die Yin Substanz oder auch Essenz [Jing] genannt, ist die Grundlage unserer konstitutionellen Stärke, unseres Nieren-Qi.
Folgende Symptome können auf einen [Nieren-]Yin-Mangel hinweisen:
- heiße Hände und Füße, besonders nachts
- Nachtschweiß
- Ruhelosigkeit
- Hitzegefühl am Nachmittag
- geröteter Wangenbereich
- kraftlose Unruhe
- Hitzewallungen
- Durchschlafstörungen
- Rückenschmerzen, besonders im unteren Rücken
- wenig, dunkler Urin
- nächtliche Samenergüsse
- Tinnitus, Ohrensausen, Schwerhörigkeit
- Depressivität
- Vergesslichkeit, Gedächtnisstörungen
- Schlafstörungen
- Mundtrockenheit, Durst
- Probleme mit den Zähnen
Wenn du dich hier wiederfindest solltest du dein Nieren-Yin unbedingt nähren und deinen Geist beruhigen. Folgendes ist dann gut für dich:
- Entspannung
- gezielte und regelmäßige Ruhephasen
- Entspannungsübungen wie Meditation, Yoga
- auch progressive Muskelentspannungsübungen nach Jacobsen
- vor 22:00 Uhr ins Bett gehen
- die Mitte stärken mit regelmäßig warmen Mahlzeiten
- ausreichend Wasser Trinken (ohne Kohlensäure, lauwarm)
- aber vor allem Ruhe und Entspannung über einen längeren Zeitraum